Stadtforschung + Statistik - Ausgabe 2/2022
- Format: 21 x 29,7 cm
- 2022
Erst im Dezember 2019 berichtete die Kölner Rundschau über Hermann Breuer und dessen Eintritt in den Ruhestand. Voller Wertschätzung wurde „der Herr der Zahlen“ in jenen Tagen aus dem aktiven Berufsleben verabschiedet und liest man zwischen den Zeilen, dann bestätigt sich der Eindruck, den man auch in direktem Austausch mit ihm gewonnen hat: Immer mit vollem Elan dabei und unermüdlich auf der Suche nach Antworten auf die wichtigen Stadtforschungsfragen unserer Zeit. Neben zahlreichen anderen Aufgaben im Verband Deutscher Städtestatistiker leitete Hermann Breuer seit 2015 die Geschicke dieser Zeitschrift. Viele Kolleginnen und Kollegen hat er in dieser Zeit an die Stadtforschung und Statistik herangeführt – als Leserinnen und Leser, als Autorinnen und Autoren und nicht zuletzt als Mitarbeitende in der Zeitschriftenredaktion. Anfang Juli ist Hermann Breuer in Remagen verstorben. Die Lücke, die er in unserem Verband und in der Zeitschrift hinterlässt, wird nicht Eins-zu-eins zu füllen sein. Viel entscheidender ist, so scheint es uns, dass seine Wissbegierde und seine Begeisterung für die Stadtforschung in der Zeitschrift weiterleben.
In diesem Sinne möchte ich Ihr Augenmerk nun gerne auf den Schwerpunkt des aktuellen Hefts lenken: Politische Partizipation und Kultur. Anhand von Befragungsdaten untersuchen die Kolleginnen und der Kollege aus München, wie sich der soziale Status und das lokale Sozialkapital auf die lokale Partizipation auswirken. Einem ganz ähnlichen Blick nimmt der sich anschließende Beitrag aus Erfurt ein. Die Untersuchung aus dem BBSR verfolgt eine stärker sozialräumliche Perspektive. Die Autorinnen und der Autor stellen dabei heraus, dass der Einfluss des Sozialraumes bei der Frage, wie die politische Partizipation bestimmter Gruppen erhöht werden kann, nicht außer Acht gelassen werden darf. Digitale Beteiligungsprozesse sind Gegenstand der Analyse zur Nutzung der Tübinger BürgerApp. Hier lässt sich gleichwohl feststellen, dass die traditionell wenig partizipationsfreudigen Bürgerinnen und Bürger auch durch Apps nicht signifikant stärker mobilisiert werden können. Schließlich beleuchtet der Beitrag aus Stuttgart die Entwicklung der Briefwahl unter dem Vorzeichen der Corona-Pandemie. Neben automatisierten Kontrollmöglichkeiten erlaubt die bei der Bewältigung der Briefwahl zum Einsatz kommende Scannertechnik teilweise ganz neue Erkenntnisse.
In der Rubrik „Stadtforschung“ richtet sich der Blick zunächst auf den Vergleich aktueller mit früheren Binnenwanderungsmustern älterer Menschen. Hier zeigt sich: Klassische Umzugsdeterminanten haben weiterhin Bestand – das Begründungsspektrum ist insgesamt aber deutlich vielfältiger geworden. Über Befragungsdaten aus Norderstedt spannen wir den Bogen dann zu Kleinstwohnungen. Das beachtliche Interesse an solchen Wohnungen ergibt sich dabei aber keineswegs nur aus finanziellen Gründen. Das eigene Wohnen nachhaltiger zu gestalten stellt eine große, potentielle Triebfeder dar.
Unter der Rubrik „Statistik und Informationsmanagement“ finden sich für die angewandte Stadtforschung ausgesprochen hilfreiche und praktische Beiträge. Befragungsdaten aus Leipzig veranschaulichen etwa die Herausforderung bei der Erhebung von Einkommen. Eine offene Abfrage, so der Autor, führe zu einer deutlich höheren Antwortverweigerung. Ebenso nützlich erscheinen die Ausführungen zur GIS-gestützten Neueinteilung von Stimmbezirken und die Zuordnung der Wahlgebäude in Köln. Das Bild komplett macht die interaktive Kartenanwendung des Statistischen Landesamts aus Hessen. So stellt der Hessenatlas der Stadtforscherin und dem Stadtforscher eine Vielzahl von Daten zu den verschiedensten Themengebieten in unterschiedlicher regionaler Tiefe in Aussicht.
Till Heinsohn